Nichts könnte dem, was wir in Deutschland unter Romantik verstehen, ferner sein, als die Massenhochzeiten der Moon-Kirche in Südkorea: Ein Riesenevent, bei dem sich Tausende Paare in Reihen aufstellen und alle auf einmal trauen lassen. Arrangiert durch die Eltern, ohne individuelle Ansprache, ohne Kuss und Liebesschwüre oder irgendeine Aufmerksamkeit dafür, wer diese Männer und Frauen eigentlich sind. Was sie lieben, was sie unter Glück verstehen.
Julia Sellmann
Married to the Munies
In Korea veranstaltet die sogenannte Moon-Kirche Massenhochzeiten. Tausende Anhänger der Sekte geben sich so ohne sich zu kennen im Zeichen des Weltfriedens das Ja-Wort.
Klar ist nur, woran sie glauben. Nämlich an die Vision des Gründers der Bewegung, auch Moon-Sekte oder Vereinigungskirche genannt: Der 2012 verstorbene Sun Myung Moon hatte die Idee, dass Frieden in der Welt am besten durch internationale Eheschließungen zu bewerkstelligen sei, bei denen einander unbekannte Menschen heirateten. Deshalb gibt es seit den 60er Jahren die Massenhochzeiten.
„Teilweise waren sie sehr unsicher und wussten nicht, wie sie sich hinstellen sollten. Das sagt ja viel darüber aus, wie man zueinandersteht.“
Die Fotografin Julia Sellmann hat das fasziniert. 2016 reiste sie nach Gapyeong zwei Stunden östlich von Seoul, um sich das Ereignis in einer Riesenarena anzusehen – und um eine Reihe sehr besonderer Fotos zu machen. Denn Sellmann interessierte es weniger, die schiere, überwältigende Masse der Paare abzubilden. Sie entschied sich, das zu zeigen, was man nur aus der Nähe sehen kann: Wie diese Menschen, die oft aus verschiedenen Ländern kamen und einander ein paar Stunden vorher zum ersten Mal gesehen hatten, sich zum ersten Mal als Paare zeigten. Was ihre Körpersprache darüber verriet, wie sie sich zusammen fühlten.
Direkt im Anschluss an die Trauung ging sie mit einem Schild umher, auf dem auf Koreanisch „Dürfte ich ein Foto von Ihnen machen?” stand. „Ich habe alle genommen, die ich kriegen konnte”, sagt Julia Sellmann, etwa hundert Paare bekam sie so vor die Kamera. „Teilweise waren sie sehr unsicher und wussten nicht, wie sie sich hinstellen sollten. Das sagt ja viel darüber aus, wie man zueinandersteht. Sie konnten auf nichts zurückgreifen, was sie schon kannten, das waren immerhin ihre ersten Partner überhaupt im Leben. Manche Eltern haben ihnen aus dem Hintergrund Tipps zugerufen.”
Die Fotografin hatte den Eindruck, dass die Paare nach der Trauung insgesamt glücklich, aber erschöpft waren. „Das könnte man wahrscheinlich auch über jedes deutsche Paar sagen. Aber auf den Fotos sieht man die Distanz: Sie waren noch nicht richtig zusammen, jeder war für sich selbst glücklich.“
Textredaktion: Theresa Bäuerlein
Julia Sellmann, geboren 1992 in Südwestfalen, ist Bildjournalistin und Dokumentarfotografin. Zwischen 2011 und 2015 studierte sie Fotografie in Dortmund. Bei ihrer Arbeit verfolgt sie vor allem soziologische Fragestellungen, dabei lebte sie unter anderem für ihre Abschlussarbeit sechs Wochen lang bei einer Glaubensgemeinschaft in Russland. Ihre Fotografien wurden schon in zahlreichen Magazinen, wie dem Greenpeace Magazin, Die Zeit, The Guardian, SZ Magazin, Stern, Neon und Capital veröffentlicht. Julia lebt derzeit in Köln und Dortmund.
An ihrem Projekt „Married to the Munies“ wird sie in ein paar Jahren weiterarbeiten, um herauszufinden, ob die arrangierten Moon-Ehen wirklich geringere Trennungsraten haben, als verheiratete Pärchen einer Liebesheirat. Das wird von der Gemeinschaft behauptet.