Sebastian Wolf
Autonomy
Im September 2014 standen die Bewohner Schottlands vor einer historischen Wahl, die auch für nachfolgende Generationen prägend sein könnte. In der Abstimmung ging es um die mögliche Unabhängigkeit von Großbritannien, mit all den ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen einer potenziellen Abspaltung. Eine besondere Rolle nahmen hierbei die hoch im Norden gelegenen Shetlandinseln ein. Das Projekt AUTONOMY war für deren Bewohner nicht nur wegen ihrer einflussreichen Fischerei- und Ölindustrie von großer Bedeutung.
»Auf den Shetlands herrscht eine ganz eigene Atmosphäre, stark geprägt von dem rauen und so wechselhaft, wie beeindruckenden Inselwetter«
Shetlands geographische Lage steht auch symbolisch für die weitestmögliche inner-britische Entfernung zum Westminster Palace in London. Das alltägliche Leben auf den Inseln zeigt große Unterschiede zum Leben im Süden Englands und ist besonders durch die Abgeschiedenheit vom Festland geprägt. Für die Versorgung mit Lebensmitteln wird an manchen Orten beispielsweise ein Weg von mehreren Stunden zurückgelegt – in der kalten Jahreszeit müssen Wochenvorräte eingelagert werden.
Die großen Entfernungen zu Schule und Arbeit haben enormen Einfluss auf das Familienleben der Shetländer. Auch insgesamt entfalten die Inseln aufgrund geringer Bevölkerungsdichte eine besondere Dynamik. Zum Teil führt sie zu sozialer Isolation, was besonders unter Jugendlichen zu Problemen wie Gewalt, Alkohol- und Drogenmissbrauch führen kann. Auch die Perspektivlosigkeit ist ein möglicher Katalysator, zusätzlich bedingt durch einen Mangel an Bildungseinrichtungen. Eine steigende Zahl von Menschen ist mittlerweile auf Wohlfahrtseinrichtungen wie die „Food-Bank“ angewiesen, was die sozialen Probleme der Inseln verdeutlicht.
»This decision will define our future and the generations to come. On Thursday, for this first time in our political history, the future of our country will be held firmly in our hands. The question is: Do we keep hold of it, or hand it back to Westminster? If not us, then who? If not now, then when? This is our time.« Saul Day, Yes-Shetland-Unterstützer
Auf den Shetlands herrscht eine ganz eigene Atmosphäre, stark geprägt von dem rauen und so wechselhaft wie beeindruckenden Inselwetter, und der weiten, pittoresken Landschaft. Es ist ein schmaler Grat zwischen deutlich negativen Auswirkungen und möglichen Vorteilen, welche das Leben an einem Ort wie diesem bestimmen.
Nach einer nervenaufreibenden Auszählung steht am Abend des Wahltages schließlich das Ergebnis fest: 55.3 % der Schotten bevorzugen einen Verbleib Schottlands – und damit auch Shetlands – als Teil von Großbritannien.
Sebastian Wolf (*1990 in Singen) absolvierte den Bachelor in Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz. Seit 2015 studiert er den MA Photography Studies and Practice an der Folkwang Universität der Künste in Essen.