Sebastian Dorbrietz

Novilleros

Vier Jahre lang war der Stierkampf in Katalonien verboten. Doch seit Kurzem dürfen junge Toreros wieder davon träumen, eines Tages zu den großen Matadores zu gehören.
Málaga in Südspanien. Die Arena am Plaza de toros de La Malagueta von 1874 ist eine der größten des Stierkampflandes. Abends finden hier Konzerte oder traditionelle Stierkämpfe statt. Tagsüber trainieren hier die Jungstierkämpfer.
Matadores de Toros sind in Spanien hoch angesehen – ein Traumberuf vieler junger Männer und Frauen. Obwohl man in Spanien seinen ersten öffentlichen Kampf erst mit 16 Jahren antreten darf, fangen sie früh an zu trainieren.

Die Corrida de Toros, der Stierkampf, zählt seit dem 18. Jahrhundert zur spanischen Identität, auch für die Wirtschaft ist dieses Kulturgut gleichzeitig ein Milliardengeschäft. Bei schätzungsweise 1.700 Corridas pro Jahr lassen weit über 10.000 Stiere ihr Leben. Mitunter werden höhere Zahlen genannt. Offizielle Statistiken sind nicht bekannt.

Die einstudierten Bewegungsabläufe sind für die Stierkämpfer überlebenswichtig. Das Führen der Muleta, dem scharlachroten Tuch, zusammen mit der Espada, dem Degen, wird wieder und wieder geübt.
Als Matadores de novillos, kurz Novilleros, werden Jungstierkämpfer bezeichnet, die sich noch in der Ausbildung befinden.
Ziel jedes Novilleros ist die Alternativa: die offizielle Prüfung, bei der sie zum Matador de Toros ernannt werden.
Der Todesstoß in das Herz des Stieres muss sauber ausgeführt werden. Nur so kann das Tier schnell und leidlos sterben.

Im Sommer 2016 ging ein Aufschrei durch die Medien. Erstmals im 21. Jahrhundert wurde ein spanischer Matador von einem Stier in der Arena getötet. Die Hörner des mehr als 500 Kg schweren Tieres trafen den 29-jährigen Victor Barrio direkt ins Herz. Er starb noch in der Arena. Auch Mitte Oktober 2016 wurde es knapp. Der einäugige Matador Juan José Padilla wurde von einem Stier im Bereich des fehlenden Auges getroffen. Dieses hatte er bereits 2011 im Stierkampf verloren, als ihm das Tier sein Horn durch den Kopf bohrte.

Es ist der Tanz zwischen Licht und Dunkelheit, Leben und Tod, Gut gegen Böse, der viele Menschen in die Arena treibt. Der Kampf ist ambivalent: Die Stierkämpfer sind stark religiös und gleichzeitig getrieben von der Macht über den Tod. Die immer wiederkehrende Gefahr zu sterben lässt sie das eigene Leben intensiver spüren. Respekt und Achtung vor dem Stier stehen dabei an oberster Stelle.
Martín de la Jara, ein kleines Dorf im Süden Spaniens und die Heimat des Jungstierkämpfers Pedro José Aguilar. So wie er kommen viele angehende Stierkämpfer eher aus den ländlichen Gegenden des Landes.

»Trotz der hohen Gefahr, und der immer größer werdenden gesellschaftlichen Kritik an dieser alten Tradition, trainieren sie unermüdlich neben Schule und Studium für ihren großen Traum.«

Die Stiere werden speziell für den Kampf gezüchtet. Ihr Stammbaum reicht oft Jahrzehnte zurück. Ihre wenigen Lebensjahre verbringen sie auf dem weitläufigen Land traditionsschwangerer Züchter. Der Kontakt zum Menschen wird möglichst gering gehalten.
Die starke Haltung ist selbst jungen Novilleros schon in Fleisch und Blut übergegangen.

Seit 2012 ist der Stierkampf in Katalonien verboten. Die spanische Region galt damit als großer Vorreiter für Stierkampfgegner. Ende Oktober 2016 ging jedoch ein Ruck durch das Land: das Verfassungsgericht hob das geltende Stierkampfverbot in Katalonien wieder auf.

Wie eine zweite Haut muss sich die Tracht über den Körper des Toreros legen.
In den Stunden vor dem Kampf kommen oft enge Freunde und die Familie in das Hotelzimmer, welches sich in der Nähe der Stierkampfarena befindet. Der persönliche Altar ist für die stark religiösen Toreros unersetzlich.
Während der zeremoniellen Einkleidung wird kaum gesprochen. Innere Ruhe und Konzentration strahlt Pedro nach außen. Die Anspannung ist spürbar.
Das akkurate Erscheinungsbild ist ein ebenso wichtiger Bestandteil wie die aufwendig maßgeschneiderte Kleidung.
In der Montera, der schwarzen Kopfbedeckung eines Toreros, bewahrt jeder Stierkämpfer Fotos Heiliger und geliebter Menschen auf, wie hier die Virgen de la Esperanza.
Wie eine Rüstung trägt Pedro die Traje de luces, die oft mehrere Tausend Euro kostet.

Trotz der hohen Gefahr und der immer größer werdenden gesellschaftlichen Kritik an dieser alten Tradition streben viele junge Männer und Frauen eine Karriere als Matador de Toros an. Unermüdlich trainieren sie neben Schule und Studium für ihren großen Traum.

Am Hintereingang des Plaza de Toros de la Maestranza, der Stierkampfarena in Sevilla, warten Fans und Anhänger. Bereits Jungstierkämpfer werden mitunter gefeiert wie Popstars.
Die Novilladas sind Kämpfe speziell für junge Toreros. Hier messen sich die Novilleros mit Jungstieren, die maximal drei Jahre alt sind. Besonders der Tourismus profitiert von der alten Stierkampftradition. Ein Milliardengeschäft für die spanische Wirtschaft.

Um in Spanien die Torero-Ausbildung zu beginnen, bedarf es anfangs nicht viel. Es gibt nicht einmal ein Mindestalter. Wer die nötigen motorischen Fähigkeiten mitbringt, kann sich in einer der über 50 spanischen Toreroschulen kostenlos anmelden. Die Trainingsausrüstung wird meist durch die Schulen bereitgestellt. Viele von ihnen werden vom Staat subventioniert und gefördert. Ist das Training erfolgreich, kann man im Alter von circa 16 Jahren das erste Mal professionell gegen einen Jungstier antreten und öffentliche Kämpfe bestreiten.

Vor dem Kampf widmet der Torero den Tod des Stieres seinem Publikum. Dafür hebt er die Montera und wirft sie anschließend hinter sich in den Sand. Zeigt die Öffnung nach unten, symbolisiert dies Glück.
Die ständige Konfrontation mit dem Tod lässt den Adrenalinspiegel in die Höhe schießen.
Zur Schwächung der Schultermuskulatur werden mehrere Banderillas – lange Stäbe mit Stahlspitzen – in den Rücken des Tieres gestoßen. Solang der Torero das Führungstuch trägt, hat er die Macht über den Stier. Erst wenn der Koloss dem Torero das Tuch entreißt, sind sich die beiden Kämpfer ebenbürtig. Um die Gefahr für den Torero zu mindern, lenken die Hilfstoreros das Tier mit Ihrer Capa jedoch sofort ab.
Empfindet das Publikum den Kampf als herausragend, schwingt es ein weißes Tuch. Anhand dieser Reaktion entscheidet der Präsident der Arena über die Auszeichnung des Toreros. Die höchste und seltenste Ehrung ist, mit abgeschnittenem Schwanz und Ohr des Stieres durch das Haupttor der Arena nach draußen zu stolzieren.
Ist die Espada im Herzen platziert, ist der Stier nicht sofort tot. In seiner Benommenheit wird er an den Rand getrieben und durch abwechselnd rhythmische Bewegungen mit der Capa paralysiert. Daraufhin versetzt der Torero dem Tier den Todesstoß: mit einem zweiten Degen durchtrennt er am Hals das Rückenmark.

So tat es auch Pedro José Aguilar. Der heute 21 jährige Jungstierkämpfer begann mit 15 Jahren – als erstes Mitglied seiner Familie – mit dem Training zum Matador de Toros. Sein Traum ist es, eines Tages zu den ganz großen Matadores zu gehören. Auch wenn gegenwärtig das Studium im Bereich Finanzadministration und der Stierkampf sich die Waage halten müssen, so will er nach seinem Abschluss sein ganzes Leben dem Stierkampf widmen.

Sebastian Dorbrietz (*1988 in Magdeburg) machte eine Ausbildung zum Mediengestalter. Seit 2012 arbeitet er als freier Fotograf, Foto-Assistent und Bildbearbeiter und studiert seit 2014 an der FH Hannover Fotojournalismus und Dokumentarfotografie.

www.sebastian-dorbrietz.com