David Vogt
Versetzte Berge, verlassene Menschen
Scheinbar unerschöpfliche Rohstoffquellen und politisch geleitete, billige Arbeitskräfte machten ein schnelles Wirtschaftswachstum möglich – in der Sowjetunion, als es sie noch gab. Es war ein Streben nach Größe um jeden Preis. Wie sind diese geschundenen Orte mehr als 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges in der Gegenwart angekommen? Die Arbeit von David Vogt ist ein Dokument dieser Zwischenzeit.
1978 wurde in der Nähe von Rosia Montana eine der größten Kupferminen Rumäniens eröffnet – Roşia Poieni. Die damalige Regierung entschied, die Einwohner des nahegelegenen Ortes Geamana umzusiedeln. Das Tal sollte als Auffangbecken für die kontaminierten Reststoffe der Mine dienen. Über die Jahre entstand so ein bunter, künstlicher See aus rotem, blauem, weißem Schlamm. Nur der alte Kirchturm hebt sich noch mahnend als Zeigefinger der Erinnerung aus dem See gen Himmel. Den ehemaligen Einwohnern des Dorfes bot man eine Art Entschädigung an; viele blieben dennoch. Da der See nun stetig ansteigt, ziehen sie immer wieder mitsamt ihren Holzhäusern die umliegenden Hügel hinauf, in Richtung Kupfermine, die im Gegenzug unaufhaltsam näher rückt. Sie zerfrisst die Berge, und ihre Chemieabflüsse fluten das Tal. Auch im Bach fließt das rote Wasser hinter den wenigen Häusern hinunter. Sie nennen es hier das „Böse Wasser“; ihre Tiere, die davon trinken, sterben.
Seit dem Ende der Sowjetunion wird ein ganzes Land wie Rumänien – seit 2007 Teil der europäischen Union – von der Habsucht und Macht einiger weniger ausgebeutet.
Wenn die Menschen dem Sowjetregime und dessen harter Herrschaft auch nicht nachtrauern, so verfluchen sie doch die heutigen führenden Politiker umso mehr, die ihr Land zum persönlichen Gewinn an ausländische Unternehmen verkaufen. Seit dem Ende der Sowjetunion wird ein ganzes Land wie Rumänien – seit 2007 Teil der europäischen Union – von der Habsucht und Macht einiger weniger ausgebeutet.
Während Berge aufgegraben und abgetragen, ganze Landschaften umgeformt wurden, wachsen neue Orte auf dem Nährboden der vielen Versprechen von Reichtum und Wohlergehen. Heute haben viele ihre ehemalige Heimat verlassen. Andere sind geblieben und leben in Ruinen. Die letzten Bewohner versuchen jenes Leben weiterzuleben, welches sie von früher kennen. Sie bestellen Äcker, halten Kühe und Schweine und Hühner. Es gibt kein fließendes Wasser, keine Heizung, außer alten gusseisernen Öfen. Kaum noch Männer, die Haus und Hof instand halten könnten. Ehemänner und Söhne arbeiten im Ausland, um ihre Familien in Rumänien ernähren zu können. Das Leben ist am Ende angekommen, hier in Geamana, Transsilvanien.
David Samuel Vogt, geboren 1986, studierte Kommunikationsdesign an der Berliner Technischen Kunsthochschule „btk“. David ist ein vielgereister, bei Berlin lebender Fotojournalist.