Christian Werner
Weekend Warriors
Deutsche und amerikanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg zu spielen ist seit geraumer Zeit nicht nur in den Vereinigten Staaten ein beliebtes Hobby. Mit Politik soll es ja nichts zu tun haben, sagen die Darsteller. „Das ist ein idealer Ausgleich“ erklärt ein kräftig gebauter, schon ins Alter gekommener Mann, hält inne und zündet sich eine selbstgedrehte Zigarette an. „In der heutigen Zeit ist alles sehr hektisch. Alles wird immer größer und schneller. Der heutige Fortschritt verlangt täglich Alles von uns ab, deswegen machen wir ab und an einen Schritt zurück und entschleunigen“. Genau wie heute, es ist nämlich Wochenende.
„Was gibt es Schöneres, als mit ein paar leckeren Bier oder gutem Whiskey bei einer klaren Nacht den Sonnenaufgang zu beobachten?“ fragt er. Doch mit dieser romantisch anmutenden Beschreibung ist keine Grillfeier am Baggersee gemeint, sondern eine Nacht während der Nachstellung der Invasion amerikanischer Truppen 1944 im östlichen Weserbergland. So hat der Schritt zurück aus dem knapp Sechzigjährigen, im zivilen Leben Ordnungspolizist, einen Frontmann der 198. Infanteriedivision gemacht.
Reenactment liegt im Trend. Es wird in erster Linie als Hobby betrieben, nur wenige spezialisierte Händler leben hauptberuflich davon. Seit kurzer Zeit breitet sich die eher skurrile Freizeitbeschäftigung aber aus.
Die Darsteller hegen eine Hoffnung: Die Empfindungen der echten Soldaten nachvollziehen zu können. Dazu häufen sie Uniformteile und Ausrüstungsgegenstände an, mit denen schon die historischen Vorbilder ins Gefecht zogen. Reenactment wird herangezogen, um das dringende Bedürfnis nach Echtheit und Einheit zu befriedigen und Antworten auf Fragen aus einer unheimlichen Vergangenheit zu finden. Geschichte wird zu einem offenen Prozess: Hätte nicht alles auch ganz anders abgelaufen sein können? Und genau das birgt die Gefahren.
Dirk M., ein Mitglied einer gefaketen Wehrmachtsinfanteriedivision, hält als Beweis stolz seinen Mitgliedsausweis in die Kamera: „Wir sind ein völlig unpolitischer Verein. Personen mit extremen politischen Ansichten sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen“, steht dort geschrieben. „Die Wehrmacht ist eben ein zweischneidiges Schwert“, erklärt ein etwa vierzigjähriger, glatzköpfiger Mann. „Auf der einen Seite hast du den unbeschreiblichen Kampfgeist, die enge Kameradschaft und ein gewisses Heldentum, doch auf der anderen Seite begingen sie Kriegsverbrechen, töteten Unschuldige und äscherten ganze Städte ein.“ Aus Lautsprechern im Hintergrund ertönt laut das Horst Wessel Lied und macht eine Fortsetzung des Gesprächs kaum mehr möglich. Ein weiterer Umzug beginnt.
Deutschland/Belgien 2010/2011
Christian Werner, wurde im Dezember 1987 in Hannover geboren. Schon in seiner Kindheit reiste er viel durch die Welt, in seiner Jugend entflammte die Liebe zur Fotografie. Nach dem Abitur arbeitete er sieben Monate in der Fotoredaktion der Hannoverschen Zeitschrift „Neue Presse“ bis er im Jahr 2009 Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Fachhochschule Hannover zu studieren begann.
1 Kommentar.
[…] Weekend Warriors heißt die Serie von Christian Werner, die uns etwas ungläubig zurücklässt. Sie […]