Jonas Ludwig Walter
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Testhaus“ steht an der fensterlosen Fassade des Einfamilienhauses zwischen riesigen Betonruinen. Darin leben eine handvoll Männer, die ein Atomkraftwerk abreißen: Mit einer Gesamtleistung von 4000 Megawatt sollte es das größte deutsche Kernkraftwerk werden – ein gigantische Prestigeprojekt, das nie fertig gestellt wurde. Im Frühjahr 1991 – also vor genau 20 Jahren – wurde der Bau eingestellt, die drei existierenden Kühltürme in den Jahren 1994 und 1999 gesprengt.
Später wollte eine Immobilenfirma in den alten Hallen serienmäßig Fertighäuser produzieren. Die Firma ist pleite und ein einzelnes Musterhaus steht, unwirklich anmutend, in der skurrilen Kulisse zwischen den alten Reaktorgebäuden. Die Männer die hier leben fahren nur an manchen Wochenenden nach Hause. Tag für Tag ab morgens um sieben, Stück für Stück mit einem Siebentonnenmeißel, arbeiten sie sich in die meterdicken Betonwände der Ruinen. Wie Goldsucher durchkämmen sie die Trümmer nach Stahl, den sie verkaufen. Seit Jahren, immer weiter, unermüdlich. Sie haben sich eingerichtet – jetzt, hier, nirgendwo. Gestrandete Helden. Biografien wie aus einem Film.
„Wenn ich gehe, steht hier nichts mehr“, sagt Hermann stolz.
An einem Ort gescheiterter Ideen haben diese Cowboys ihre eigenen, ganz privaten Träume, die irgendwo anders spielen.
Jonas Ludwig Walter (*1984) hat 2010 sein Fotografiestudium an der Ostkreuzschule bei Prof. Ute Mahler absolviert, seit 2013 studiert er Regie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Seine fotografischen Arbeiten wurden international ausgestellt und in zahlreichen Zeitungen und Magazinen publiziert, darunter Die Zeit, Stern, NZZ, Freitag, chrismon und Süddeutsche Zeitung. Jonas wird von der Agentur Focus vertreten, er lebt und arbeitet als freier Fotograf derzeit in Berlin.