Dawin Meckel
DownTown
Irgendwann hat mich ein Mann angesprochen, der mir seine Nachbarschaft zeigen wollte. Mit ihm bin ich dann ein paar Tage herumgefahren. Er hatte immer einen eineinhalb Liter großen Becher Bier dabei. Wir waren in einer Gegend, in der viele Häuser abgerissen waren, angezündet von der Polizei, damit sich keine Drogendealer einnisten. Nun wächst Gras in den Lücken. Dazwischen leben Menschen, die den ganzen Tag nichts zu tun haben. Sie hängen ab, nehmen Drogen, hören Musik, werfen Hufeisen um einen Stab, gehen in die Kirche, wo sie zu essen bekommen. Es war wie nach einer Naturkatastrophe. Sie hatten überlebt, aber sie waren nicht entkommen. Sie sind zu arm, um aus Detroit wegzuziehen, und so warten sie, obwohl sie wissen, dass nichts mehr passieren wird. Ich habe dort niemanden getroffen, der eine Vorstellung davon hatte, wie er in zehn Jahren leben wird. Stattdessen habe ich mich gefragt, wie wir in zehn Jahren leben werden und ob Detroit eine Ausnahme oder die Zukunft ist.
Ich bin auch in den Suburbs gewesen, in denen die Weißen wohnen. Kleine, langweilige Siedlungen, in denen ein Haus wie das andere aussieht, davor ein Streifen Rasen, und der wird samstags gemäht. Es wirkt alles intakt, aber es könnte überall stehen. Der Kern der Stadt aber, das was sie einzigartig macht und woran sie wiederzuerkennen ist, der löst sich auf. Das Flugzeug, mit dem ich in Detroit ankam, ist direkt über die Stadt geflogen. Von oben war nichts zu sehen von der Zerstörung, alles wirkte nur irgendwie ausgestorben. Und ich dachte noch, so ist es ja immer an einem fremden Ort. Am Anfang sagt er einem nichts, aber nach einer Zeit kann man ihn mit anderen Augen sehen, und das ist ja das Schöne daran. Beim Rückflug war das anders. Ich hatte die Stadt zwar kennengelernt und auch ein paar ihrer Menschen, aber als ich wieder wegflog, hatte ich das Gefühl, ich würde sie darin zurücklassen.
Dawin Meckel (*1977 in Hessen) studierte Foto- und Filmdesign bei Prof. Roman Bezjak an der Fachhochschule für Gestaltung in Bielefeld. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt und ausgezeichnet. Seit 2004 ist er Mitglied bei „OSTKREUZ – Agentur der Fotografen“. Dawin lebt und arbeitet in Berlin.