Resha Juhari

Inside A Bangka Island Tin Mine

Der Abbau von Zinn prägt seit Jahren die Region Bangka-Belitung in Indonesien - mit langfristigen Folgen für Mensch und Natur. Was bleibt, wenn die Reserven bald erschöpft sind?

Fotografie Resha Juhari

Das natürlich vorkommende Schwermetall Zinn gilt als Rohstoff mit den weltweit geringsten Reserven bei gleichzeitig sehr hoher Nachfrage. Es wird unter anderem für die Herstellung von Weißblech, das z.B. für Konservendosen verwendet wird, sowie für die Produktion von elektronischen Bauteilen benötigt, verbaut insbesondere in Mobiltelefonen.

Bewohner:innen des Dorfes Kimak in der Provinz Bangka-Belitung suchen in der Nähe eines Friedhofs nach zinnhaltigem Gestein, um es an Zinnsammler:innen zu verkaufen.
Verstärkt wird Zinn wird auch am Meeresgrund gesucht. Der Abbau schadet den Meeresökosystemen langfristig, was unter anderem die Lebensgrundlage der Fischer:innen zerstört.

Indonesien fördert nach China weltweit das zweitgrößte Volumen an Zinn und erwirtschaftet mit seinem Export rund fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts. Von 1965-1998, während des autoritären Suharto-Regimes, wurde das Land mit seinen etwa 13.000 Inseln zentralistisch regiert. Seit den ’90er-Jahren erlebt das Land eine Demokratisierung und Dezentralisierung, Hauptauslöser für ein enormes wirtschaftliches Wachstum, das seinen Hunger auch durch die Förderung von Bodenschätzen stillt. Dessen Verwaltungshoheit liegt mittlerweile bei regionalen Behörden.

Dies führte einerseits zu einer Liberalisierung des Zinnabbaus, begünstigt andererseits vor Korruption. Zwar sind nach geltenden Gesetzen alle Bergbauunternehmen verpflichtet, Lizenzgebühren zu entrichten sowie Durchführbarkeitsstudien und Umweltverträglichkeitsprüfungen durchzuführen, doch die Realität ist eine andere. Bezirksregierungen entwerfen ihre eigenen Regeln für den Abbau ihrer natürlicher Ressourcen.

Ein Polizeibeamter in einem illegalen Zinnabbaugebiet in Pangkalpinang City. Eine Ursache für die große Zahl irregulärer Bergbauaktivitäten ist die geringe Strafverfolgung.
Bergleute stehen bis zum Kopf in Schlamm und verschmutztem Wasser, um kleine Mengen an Zinnerz zu fördern.
Verwaistes und ödes Land auf dem Gebiet ehemaliger illegaler Zinnminen. Es wird sehr lange dauern, bis sich die Natur erholt und der Boden wieder fruchtbar ist.
Eine Frau wäscht Sand an einem Fluss in Pangkalpinang, um Zinnerz zu gewinnen. Das Metall wird oft als Tauschmittel gegen Lebensmittel oder Zigaretten eingesetzt.

Die beiden Inseln und gleichnamige Region Bangka und Belitung, südlich von Sumatra gelegen, zählen mittlerweile zu den weltweit größten Zinnabbaugebieten. Früher war hier der Tourismus eine wichtige Einkommensquelle. Die Besucher:innen kamen wegen der Natur, insbesondere ihrer Unterwasserwelt. In Folge der regionalen Autonomie und den großen Gewinnaussichten des Zinnabbaus wurde dieser bald auch vor der Küste legalisiert.

Durch Saugbaggerarbeiten rund um die Inseln wird dabei der Meeresboden als neue Abbaufläche erschlossen. Der Meeresgrund wird nach schwarzem Zinnsand abgesucht, das anschließend meist von einfachen Holzflößen aus abgesaugt wird. Folgen sind Sedimentation, Wasserverschmutzung, Küstenerosion sowie das Absterben von Korallenriffen. Auch das sensible Ökosystem der Mangrovenwälder, die mit ihrer Artenvielfalt eine Schutzfunktion vor Erosion und Überschwemmungen bieten, wird systematisch zerstört.

Mit fortschreitender Verwüstung bricht der Tourismus drastisch ein. Die Folge: immer mehr Menschen werden ihrer Lebensgrundlage beraubt. Auch Fischer:innen müssen immer größere Distanzen zurücklegen, um ertragreiche Fanggebiete zu erreichen. Da ihre Arbeit immer kostenintensiver und zeitaufwendiger wird, fürchten sie um ihre Existenz.

Streunende Hund an einem ehemaligen, mittlerweile verlassenen Abbaugebiet. Der Boden ist so stark ausgetrocknet, dass hier keine Pflanzen wachsen.
Ein Fischer in der Nähe einer Zinnmine bei Bangka. Der Abbau gefährdet die Lebensgrundlage vieler Menschen in der Fischerei.

Mittlerweile sind etwa 80% der Inselbevölkerung wirtschaftlich vom Zinnabbau abhängig und arbeiten zum Teil auch in illegalen Minen. Der Zinnabbau wird aufgrund der schwindenden Vorkommen mittelfristig enden, von seinen negativen Folgen werden sich die anderen Wirtschaftszweige jedoch auf absehbare Zeit nicht erholen können.

Ansammlung von Holzpontons illegaler Zinnschürfer vor der Küste von Pasar Padi. Der illegale Zinnabbau an der Küste schädigt die Meeresfauna und Korallenriffe.
„Vor der Legalisierung arbeiteten die Bewohner:innen von Bangka Belitung von Tourismus, Landwirtschaft und Fischerei. Viele haben ihren Beruf aufgegeben. Der Zinnbergbau bietet im Vergleich zur Landwirtschaft ein schnelles Einkommen.“, berichtet der Fotograf Resha Juhari
Eine Zinnschürferin wäscht sand. Die meisten Menschen in Bangka-Belitung sind wirtschaftlich von dem Metall abhängig.
Der Zinnabbau findet nicht nur an Land und im Meer statt, sondern hat längst auch die Flüsse erschlossen. Folgen sind die Verschlammung von Flüssen und die Zerstörung von Mangrovenwäldern.

Neben den gravierenden ökologischen und ökonomischen Folgen ist die Region zunehmend auch mit den sozialen Auswirkungen des Zinnabbaus konfrontiert. Bereits 2013 verwies der Guardian gemeinsam mit der Organisation Friends of the Earth auf den unregulierten, ausbeuterischen Zinnabbau und seine gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt in dieser Region. Sie riefen führende Technologiekonzerne dazu auf, endlich Verantwortung zu übernehmen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Im Abbau arbeiten die Menschen unter katastrophalen Zuständen, die Kinderarbeit begünstigen und jährlich rund 150 Menschenleben fordern.

Die Arbeiter:innen sind ständig den Abgasen und dem Lärm der Dieselgeneratoren ausgesetzt. Auch den nachweislich steigenden Bleigehalt im Blut von Kindern und die wachsende Prävalenz von Entwicklungsstörungen hat der Zinnabbau zu verantworten. Viele Familien der Region Bangka-Belitung befinden sich in einem Interessenkonflikt zwischen Existenzsicherung und der Schulbildung ihrer Kinder. Während sich das Einkommen ihrer Eltern verringert, sind inzwischen immer mehr von ihnen gezwungen, in den illegalen Abbaugebieten zu arbeiten. Schulbildung hat für die meisten Familien geringere Priorität, zu groß ist die wirtschaftliche Not. Jährlich steigen die Zahlen der Schulabbrecher:innen. Diesem Trend begegnet die lokale Regierung zwar mittlerweile mit Stipendien für wirtschaftlich benachteiligte Schüler:innen und durch Investitionen in Lernzentren, bislang jedoch erfolglos.

Eine ausgeschöpfte und verlassene Mine. Kinder suchen in dieser ehemaligen illegalen Mine weiter nach den letzten Resten Zinnerz.
Ein Arbeiter taucht im schlammigen und verschmutzten Wasser nach Zinnerz. Viele Bergleute sind sich der Gefahr für ihr Leben bewusst, nehmen sie für den Lebensunterhalt aber in Kauf.
Sar (60) mit Schaum vor dem Mund, nachdem er in eine Abbaugrube in Zentral-Bangka gestiegen ist. Er ist seit mehr als zehn Jahren Bergarbeiter in den Zinnminen der Region.
Ein Kind präsentiert seine Ausbeute an Zinnerz am Strand von Sampur. Der Zinnpreis schwankt je nach den Weltmarktpreis zwischen ungerechnet 4-7 Euro pro Kilogramm.
Im Jahr 2021 wurden in der Stadt Pangkalpinang etliche Häuser abgerissen, um ein neues Zinnabbaugebiet zu erschließen.

Die indonesische Regierung hat diese Entwicklung lange Zeit weitgehend ignoriert. Nun wird sie mit der Realität konfrontiert: Die natürlichen Zinnvorkommen gehen zur Neige. Berechnungen zufolge werden die Zinnvorkommen auf beiden Inseln in weniger als 10 Jahren erschöpft sein. Der Abbau des Edelmetalls wird immer ertragsärmer und schwieriger, die Umweltzerstörung schreitet voran, die humanitäre Situation verschlechtert sich zunehmend. Zerstörte Umwelt, Kinderarbeit, Gesundheitsschäden und Existenzsorgen betreffen die Menschen vor Ort individuell.

Der Bangka-Tarsier, eine Primatenart aus der Gruppe der Makis, lebt im Wald und ist akut vom Aussterben bedroht. Sein Lebensraum wird zugunsten von Zinnminen, Ölpalmplantagen und Siedlungen immer weiter abgeholzt.
Ein Junge sucht mit traditionellen Werkzeugen nach Zinnsand. Viele Kinder in Bangka-Belitung brechen wegen des illegalen Bergbaus die Schule ab.

Anfang dieses Jahres wurde einer der größten Korruptionsfälle Indonesiens aufgedeckt. Bekannt wurde die irreguläre Vergabe von Bergbaugenehmigungen und der Ankauf von illegalem Zinn in großem Stil. Berichten zufolge beziffern sich allein die dadurch entstandenen Umweltschäden auf umgerechnet rund 17 Mrd. US-Dollar.

Solange das Geschäft mit Zinn jedoch eine profitable Geldquelle bleibt, werden sich immer neue Wege finden lassen, Mensch und Natur vor Ort auszubeuten.

Ein Jugendlicher springt in einen Bergbausee. Der verlassene, künstliche See enthält gefährliche Mineralien, sodass dort keine Fische und Pflanzen leben können.

Resha Juhari ist ein Fotojournalist aus Indonesien. 2012 begann er als Fotograf für eine regionale Zeitung und entwickelte mit der Zeit eine Leidenschaft für visuelles Storytelling. In seinen Projekten geht es meist um kulturelle Narrative, gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen. Seine Arbeiten wurden unter anderem in The Guardian, bei der BBC und in Der Standard publiziert. Seit 2021 arbeitet Resha als hauptberuflich als freier Fotojournalist.

Print aus der Arbeit „Inside a Bangka Island Tin Mine“ von Resha Juhari

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