Gianluca Pardelli
Hermit Moments
Wer nach Nordkorea reisen will, macht dies wie jeder es tut und tun muss: Mit einer organisierten Tour, mit von der Regierung gestellten Führern. Gianluca Pardelli reiste 2014 für acht Tage mit einer solchen Tour durch Nordkorea. Die dort entstandene Serie ist Teil des Projekts Hermit Moments und versucht verschiedene Facetten des wenig erkundeten Landes zu zeigen. Seine Fotos zeigen sowohl die stereotypischen und realen Orwellschen Aspekte Nordkoreas, als auch die viel menschlicheren und authentischeren Momente im Alltag der Menschen.
emerge hat Gianluca zu seiner Arbeit befragt.
Du bist in Italien geboren, hast Slawistik in Berlin und Fotojournalismus in London studiert – wie bist du zur Fotografie gekommen?
Fotografie entstand als direkte Konsequenz aus meinen Reisen und meiner Wanderlust. Für mich schien sie der natürlichste Weg zu sein, die Geschichten erzählen zu können, denen ich auf meinen Reisen begegnete.
Du konzentrierst dich in deiner fotografischen Arbeit auf die Gebiete der ehemaligen Sowjetunion, die du auch einmal das „Evil Empire“ bezeichnet hast. Woher stammt die Faszination mit dieser Region?
Natürlich war der Titel „Evil Empire“ ironisch gemeint. So nannte der amerikanische Präsident Ronald Reagan ein Land, von dem er und die meisten anderen Menschen aus dem Westen kaum etwas wussten und von dem sie immer noch nicht viel wissen.
Das Projekt „Evil Empire“ ist ein Versuch mit Bildern und Geschichten etwas darüber zu erzählen, was diese wundervolle und komplexe geopolitische Einheit für ihre Bewohner bedeutet. Ich will das nicht nostalgisieren, sondern wünsche mir ganz ehrlich die Wahrheit hinter den Stereotypen der Propaganda und falschen Vorstellungen des Westens zu zeigen. Als ich als Kind Anton Tschechows Märchen entdeckte, entwickelte sich mein Interesse und meine Liebe für diesen Teil der Welt und diese haben nach meiner ersten Reise und nachdem ich russisch lernte, nie aufgehört.
Wieso hast du dich, trotz deines eigentlichen Fokus auf die ehemalige Sowjetunion, dazu entschieden in Nordkorea zu fotografieren? Hat dich dort etwas speziell interessiert?
Nordkorea finde ich deswegen so interessant, da es eine der wenigen überlebenden politischen Realitäten des Ostblocks ist.
Nichtsdestotrotz kann man Nordkorea kaum mit anderen sozialistischen Ländern wie der ehemaligen UDSSR, Cuba oder der DDR vergleichen, da es seine sehr spezielle und perverse Form des Totalitarismus entwickelt hat, die sich sehr von Lenins oder Castros Kreationen unterscheidet.
Wolltest du irgendeinen speziellen Aspekt des Landes porträtieren?
Ich wollte sowohl die groteske und protzige Fassade, als auch die Realitäten, die sich dahinter verbergen, porträtieren. Deswegen habe ich mich für eine Mischung zwischen Propaganda- und Straßenfotografie entschieden.
Wie hast du dich in Nordkorea beweget? Gab es irgendwelche Probleme?
Ich bin dorthin so gereist, wie jeder es tut und tun muss: Mit einer organisierten Tour mit von der Regierung gestellten Führern. Aber auch wenn ich Menschen fotografierte, gab es keine größeren Schwierigkeiten.
Wie haben die Menschen darauf reagiert, fotografiert zu werden?
Die Menschen in Nordkorea sind schüchtern, aber freuen sich, Menschen aus dem Ausland kennenzulernen. Ihre Beziehung zur Fotografie kann als eine Mischung zwischen Neugierde und Angst beschrieben werden.
Was war dein erinnerungswürdigstes Erlebnis in Nordkorea?
Die Arirang Massenspiele in Pyongyang, obwohl sie eine riesige orchestrierte Propagandashow sind, verpassen sie dir die gleiche Gänsehaut, wie damals, als man als Kind zum ersten Mal in den Zirkus ging.
Gianluca Pardelli (*1988 in Italien) studierte Slawistik in Berlin und machte seinen Master in Fotojournalismus am London College of Communication. Währenddessen bereiste er vier Kontinente und fotografierte in mehr als siebzig Ländern. Sein fotografischer Schwerpunkt liegt in den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion. Er pendelt zwischen Berlin und dem Kaukasus, wo er seine Zeit damit verbringt fotografische, linguistische und gastronomische Entdeckungen zu machen.